Krisen sind wie Tunnel: da musst Du durch

Krise? Da musst Du durch!Ein "Rezept" für Krisenbewältigung

 „Was soll ich denn jetzt machen?"

Diese Frage stellt sich wohl jeder ab und zu. Wenn ich in einem Problem feststecke, das ich mit meinen engsten Vertrauten nicht lösen kann, rufe ich meine Kollegin, Mentorin und Freundin Ariane Seidel an. Nach dem Gespräch mit ihr fühle ich mich stets ruhiger als vorher und kann wieder klar denken.

Im letzten Gespräch ging es um Krisenbewältigung. Was sie über Krisen sagte, hat meine Sicht auf die Herausforderungen des Lebens verändert. Sie hat mir erklärt, dass Krisen zwar unangenehm, aber für die Persönlichkeitsentwicklung notwendig sind. Sie ist überzeugt davon, dass wir Krisen durchaus aus eigener Kraft bewältigen können, wenn wir ein paar Dinge beachten. Ihr Rezept für erfolgreiche Krisenbewältigung findest Du in dem Gespräch zwischen Ariane und mir:

 

Esther: Ariane, was ist eine Krise?

Ariane: 

Krisen sind Lebenssituationen, die uns aus der Mitte werfen und uns gleichzeitig wachsen lassen können.

Situationen, Reize, Begegnungen, etc., die wir durch unsere vorhandenen Bewältigungsstrategien nicht zu meistern vermögen, werfen uns in eine Krise. Die Herausforderung besteht darin, neue Bewältigungsstrategien zu entwickeln und anzuwenden.

Krisen sind normaler Bestandteil unseres Lebens und treten in jedem Lebensalter auf. Wir können Krisen in Entwicklungskrisen, Anforderungskrisen und Verlustkrisen unterscheiden:

  • Entwicklungskrisen durch den Eintritt in eine neue Lebensphase (Geburt, Adoleszenz, selbst Eltern werden, in Rente gehen, sich mit dem eigenen Tod auseinandersetzen)
  • Anforderungskrisen durch z.B. unsere Kinder, durch unsere Arbeitsplätze, durch gesellschaftliche Herausforderungen, wie Pandemien, Kriege, Weltwirtschaftskrisen, und
  • Verlustkrisen, wenn wir mit Trennungen, Todesfällen, Fusionen oder auch Insolvenzen konfrontiert sind.

Eine Krise zeiht durch unser Leben wie ein Sturm, manchmal sogar wie ein ausgewachsener Orkan. Besonders herausfordernd wird es, wenn sie sich in unserem Leben festsetzen oder viele Krisen gleichzeitig zu bewältigen sind.

Krisen sind wichtig für unsere Persönlichkeitsentwicklung

Esther: Du sagst, Krisen gehören zum Leben dazu und sind sogar wichtig für unsere Persönlichkeitsentwicklung. Woran erkenne ich eine Krise, gibt es eine Abgrenzung zum Problem?

Ariane: Ein Problem können wir durch erhöhte Anstrengung mit gezielter situativer Aufmerksamkeit lösen. Wir wenden Methoden an, die uns in ähnlichen Problemen auch schonmal geholfen haben und greifen ganz selbstverständlich auf unsere Ressourcen zu.

Steckst Du allerdings in einer Krise, erlebst Du das als viel schwerwiegender, als „nur“ ein Problem zu haben. Unter Umständen bist Du durch dieses intensive Erleben in Deinen Emotionen gefangen, ja vielleicht sogar in Angst erstarrt und im Sorgengrübeln abgetaucht. Je größer die emotionale Belastung, desto schwieriger ist es, in tiefer Ruhe zu reflektieren und eine Lösung zu finden.

Typisch Gedanken und Emotionen von Menschen in einer Krise:

  • Enge, Angst: „Ich bin total verzweifelt“
  • Perspektivlosigkeit: „Nie wieder wird es besser werden“
  • Hilflosigkeit, Wut: „Ich will, dass es wieder so ist, wie es vorher war!“
  • Ein Gefühl von Starre oder anders bewegungslos zu sein
  • Einsamkeit, Sorgengrübeln, Traurigkeit

Ich möchte denen, die gerade so denken und fühlen, ein Bild anbieten.

Krisen sind wie Türen oder Tore: Da musst du durch! Stehenbleiben ist auf lange Sicht keine glückliche Wahl.

Arianes Rezept für Krisenbewältigung

Esther: Was kann man tun, wenn man merkt, man steckt in einer Krise und kommt mit den „üblichen“ Mitteln nicht raus?

Ariane: Es gibt (mindestens) 4 Faktoren, die Dir helfen, aus einer Krise wieder rauszukommen.

  1. Der erste und wichtigste Schritt: die Krise erkennen und sich ihr stellen (statt sie zu verleugnen)

    Das ist unangenehm, weil wir uns auch unseren Emotionen stellen müssen. Oft sind es Emotionen, die wir im Alltag ganz gut weggepackt haben und nicht so sehr an uns mögen. Denn eines haben alle Krisen gemein: Je bewusster wir uns der Krise stellen und je eher wir die Krise in unserem Leben anerkennen, statt sie zu verleugnen, desto eher werden wir herausfinden können, welche Art von Unterstützung uns weiterhelfen kann.

  2. Unterstützung suchen (statt sich der Verzweiflung hingeben)

    Das Ziel jeder Krisenbewältigung: Alte Verhaltens-, Denk- und Gefühlsmuster in Frage stellen, neu interpretieren und auf neue Begebenheiten anpassen. Wir entwickeln uns in einer Krise zwangsläufig, weil unser alltägliches Verhaltensrepertoire nicht ausreicht und wir durch Verhaltens- und vielleicht auch Haltungsänderungen eine innere Transformation durchlaufen. Sich dafür professionelle Unterstützung zu holen, erleichtert diese Last.

  3. Sich Zeit geben (statt auf „schnelle und einfache Lösungen“ zu setzen)

    Es gibt keine „schnelle“ oder „einfache“ Lösung aus Krisen herauszukommen. Das wird gerne von sogenannten Krisengewinnlern behauptet, die aus anderer Leuts´ Krise ein gutes Geschäft machen.

    • Die Überwindung einer Krise braucht seine eigene Zeit. Unser inneres Wachstum hat sein eigenes Zeitverständnis, seinen eigenen Rhythmus.
    • So, wie ich nicht am Gras ziehen kann, damit es schneller wächst, und ich Lebenserfahrungen nur selbst erlebend erfahren und mir nicht theoretisch aneignen kann, genauso braucht es seine Zeit, um eine Krise zu bewältigen.
    • Die Krise leitet uns durch einen Prozess von Verleugnen, Verzweifeln, Erschöpfung hin zu einer Erkenntnis, zu einem tiefen inneren Verständnis, auch durch dazugehörige Pausen und manchmal auch Rückschläge.
    • Das „Schöne“ an Krisen ist, dass sie auch wie ein Sturm vorüberziehen können. Man merkt es deutlich am eigenen Körper, wenn die „Gefahr“ vorüber ist.
  4. Reflektieren & ins Tun kommen (statt Stehenbleiben)

    Nach einer Krise sind wir gereift und gewachsen, weil wir sie irgendwie gemeistert haben. Das „irgendwie“ ist dann die Chance zur Reflektion, in der wir uns bewusst machen können, was da jetzt eigentlich genau passiert ist. Frei nach dem Philosophen Sören Kierkegaard: „Wir leben vorwärts und verstehen es rückwärts“, lädt uns die bewältigte Krise am Ende ein, uns Zeit und Muße zu nehmen, um das Erlebte zu reflektieren. So können wir die neue Bewältigungsstrategie bewusst als eine neue Ressource in unser Repertoire aufnehmen und verankern.

Esther: Ariane, was Du sagst, macht geradezu „Lust“ auf die nächste Krise. Würdest Du so weit gehen, dass Du Dich auf Deine nächste Krise freust?

Ariane: Ha, das ist eine Fangfrage! Natürlich bin ich froh, wenn ich gerade krisenfrei durch das Leben gehen darf. Andererseits ist das Leben wie ein Fluss, um dessen nächste Biegung ich nicht immer schauen kann. Und wenn mir morgen die Strömungen, Untiefen und Überraschungen des Lebens eine Krise bringen, ja dann werde ich diese hoffentlich meistern und im Nachgang froh darüber sein, wieder ein Stückchen mehr Lebenserfahrung zu haben.

Esther: Ich danke Dir für das Gespräch!

Kontaktdaten:
  • Ariane Seidel, Telefon: 0151-675 15 971, E-Mail: kontakt@ariane-seidel.de
  • Telefonseelsorge 0800.1110111 (evangelisch) und 0800.111 0 222 (katholisch)
  • Elterntelefon 0800.111 0 550, Telefonische Beratung, montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr, dienstags und donnerstags bis 19 Uhr. Anonym und kostenlos in ganz Deutschland.
  • U25 Mailberatung und Hilfe für Jugendliche mit Suizidgedanken
  • MANO-Beratung Suizidprävention für Menschen ab 26 Jahren

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Zusammenfassung

Wenn Du momentan in einer Krise steckst, dann helfen Dir vielleicht diese Gedanken:

  • Krisen sind normal und treten in jedem Lebensalter auf
  • Eine Krise fühlt sich extrem unangenehm an. Am liebsten würden wir sie so lange wie möglich ignorieren oder „schnell“ lösen. Aber eine „einfache“ Lösung gibt es nicht, vielmehr entwickelst Du Dich in einer Krise weiter
  • Das ist der Dreh in einer Krise: Du stellst Dich teilweise selbst in Frage und bekommst so die Chance, Dich den neuen Begebenheiten auf eine gesunde Art und Weise anzupassen
  • Wichtig ist, dass Du Dir ausreichend Zeit nimmst, denn Krise und Wachstum ist ein Prozess
  • Erst nach einer Krise wirst Du sehen, wie Du es geschafft hast, da durchzukommen. Das sind wichtige Bausteine, die Deine Identität ausmachen
  • Professionelle Hilfe findest Du in einer Vielzahl von niederschwelligen und kostenlosen Angeboten